Konzept

Zwischen 400- bis 800-mal am Tag berühren wir unser Gesicht und in der Regel nehmen wir von dieser Bewegung, die lediglich circa 1,3 Sekunden dauert, kaum etwas wahr. Die Wissenschaft ist sich nicht überall einig, warum wir uns so oft im Gesicht berühren. Eine Erklärung sieht einen Zusammenhang von den kurzen Berührungsreizen und der Hirnaktivität. Selbstberührungen können also ein Versuch des Organismus sein, nach oder während einer psychischen Irritation wieder in einen Zustand der «Balance» zu kommen. Selbstberührungen sind also eine sehr häufige Alltagshandlung, deren Ursache noch nicht abschliessend geklärt ist. In unserem Projekt wollten wir uns daher genauer mit diesen unscheinbaren Berührungen auseinandersetzen. Besonders interessant für unser Projekt fanden wir folgende Punkte.

  • Wie häufig werden die unterschiedlichen Stellen im Gesicht berührt?
  • Haben wir individuelle Vorlieben, sprich berühren wir uns im selben Gesichtsteil mit unterschiedlichen Teilen der Hand? (Vergleich unserer Ergebnisse)
  • Wie beeinflusst unser Umfeld sowie der allgemeine Kontext unsere Gesichtsberührungen?
  • Welcher Berührungsgrund überwiegt in den jeweiligen Gesichtsteilen?

Datenerfassung

Um unsere Fragen zu beantworten und in digitaler Form zu visualisieren mussten wir konkrete Parameter definieren.

  • Ort der Berührung im Gesicht → Gesichts-Koordinate
  • Womit (mit welchen Regionen der Hand) berühren wir unser Gesicht → Bereich der Hand
  • Wann berühren wir unser Gesicht → Kontext (Ort und Tätigkeit), Zeit und Datum
  • Warum berühren wir unser Gesicht? (bewusst, unbewusst, jucken, abstützen, denken, bedecken, Komfort, Gewohnheit…?)

Tracking

Unsere Gesichts-Berührungen sind meist unbewusst und abhängig von diversen Faktoren. Um die Trackingergebnisse nicht zu verfälschen entschlossen wir uns mit Videoaufnahmen zu arbeiten. Das Aufnehmen eines Videos ermöglicht es uns, das Tracking während einer bestimmten Zeit zu «vergessen» und dennoch jegliche Form der Berührung – bewusst und unbewusst – zu erfassen. Um einen möglichst breiten Einblick in die Gewohnheiten von Gesichts-Berührungen zu erhalten entschlossen wir uns in eher kürzeren Zeitspannen (10min), dafür über den Tag verteilt mehrfach zu tracken. Die zehnminütigen Aufnahmen eignen sich besonders gut, da wir uns durchschnittlich 11 mal in dieser Zeit im Gesicht berühren. Verteilt über 3 Wochen entstanden pro Person 36 Videos und insgesamt 6 Stunden Videomaterial.
In einem nächsten Schritt haben wir unsere Tracking-Videos ausgewertet. In einer Excel Tabelle erfassten wir sämtliche zuvor definierte Werte: Handabschnitt, Gesichtskoordinate, Ort, Zeit und Datum, Tätigkeit und Grund für die Berührung.


Gesichts-Koordinatensystem

Um unsere Gesichts-Berührungen möglichst genau und einheitlich erfassen zu können haben wir Individuelle Messinstrumente erstellt. Die berührte Stellen im Gesicht erfassten wir mithilfe eines Koordinatensystems. Dazu unterteilten wir unser Gesicht in 196 Bereiche die jeweils durch einen x-Achsen und einen y-Achsen Wert definiert sind. Dasselbe Koordinatensystem haben wir anschliessend auf der Website in p5 und js nachgebaut, um so eine abstrahierte, digitale Versions unseres Gesichts zu erhalten.
Um unsere Gesichts-Berührungen möglichst genau und einheitlich erfassen zu können haben wir individuelle Messinstrumente erstellt. Die berührten Stellen im Gesicht erfassten wir mithilfe eines Koordinatensystems. Dazu unterteilten wir unser Gesicht in 196 Bereiche, die jeweils durch einen x-Achsen- und einen y-Achsen-Wert definiert sind. Dasselbe Koordinatensystem haben wir anschliessend auf der Website in p5 und js nachgebaut, um so eine abstrahierte, digitale Version unseres Gesichts zu erhalten.

Koordinaten Anna
Koordinaten Celine

Definierte Bereiche der Hand

In unserer Datenerfassung erheben wir sowohl die Daten des «Berühren» und des «Berührt werden» Dieses Wechselspiel ist sehr spannend, daher wollten wir sowohl die berührte Stelle im Gesicht als auch das «womit» erfassen. Dazu unterteilten wir auch unsere Hände in vordefinierte Bereiche. Da unser Fokus im Web-Projekt auf den Berührungen im Gesicht liegt, haben wir uns bei den Messinstrumenten der Handregionen auf ein weniger detailliertes Raster beschränkt. In einem Beispiel-Tracking achteten wir bewusst darauf, welche Regionen der Hand besonders häufig oder kaum eine Stelle im Gesicht berühren. Aus diesen Erkenntnissen unterteilten wir unsere Hände in jeweils 22 Bereiche. Die Fingerspitzen berühren unser Gesicht sehr feinfühlig und häufig, daher wurde jeder Fingerkuppe ein einzelner Wert zugeteilt. Die Handflächen hingegen berühren unser Gesicht eher grob und grossflächig und wurden daher einem grösseren Bereich zugeteilt.

linker Handrücken
linke Vorderhand
rechter Handrücken
rechte Vorderhand

Unsere personalisierten Messinstrumente ermöglichen es uns, unsere Daten sehr genau und individuell erfassen zu können. Um die Daten auf der Website auch visuell umsetzen zu können mussten sie in eine «fassbare» Form gebracht werden.
Dazu wurden die Daten aus Excel als CSV exportiert und in eine JSON array Datei konvertiert.

Beispiel Tracking

Visualisierung

Unser Projekt beschäftigt sich sowohl mit dem «Berühren» als auch dem «Berührt werden» Dieses Wechselspiel ist sehr spannend, daher wollten wir sowohl in der Datenerfassung als auch in der anschliessenden Visualisierung darauf eingehen. Während auf der Website der Fokus auf dem Gesicht und damit dem «Berührt werden» liegt, ist in der analogen Darstellung die Hand und damit das Haptische im Vordergrund.


Digitale Visualisierung: «Berührt werden»

Unser digitales Berührungs-Profil haben wir äquivalent zum Tracking-Koorindatensystem aufgebaut. Das Grid besteht aus 196 Feldern, die über zwei Werte (X/Y) definiert wurden. Durch eine JavaScript Funktion werden die manuell erfassten Gesichts-Koordinatenpunkte automatisch auf die digitale Canvas übertragen. Durch häufige Berührungen im Gesicht am selben Ort entstehen Überlagerungen und Verdichtungen im Grid. Bereits nach wenigen Berührungen sind sowohl der Umriss eines Kopfes als auch bestimmte Verhaltensmuster zu erkennen.

Prozess Koordinatensystem

Um auch auf das «womit» einzugehen wurden für die Hand bestimmte Visualisierungen festgelegt, die sich auf das Grid übertragen lassen. Das Koordinatensystem besteht aus quadratischen Feldern. Jedes dieser Felder entspricht ungefähr der Grösse eines Fingerabdruckes. Durch das Füllen der Flächen im Koordinatensystem können somit Berührungen der Hand im Gesicht 1:1 visualisiert werden. Angelehnt an die feinen Rillen in der Haut wurde als Füllung der Koordinatenpunkte ein individuelles Linienraster für jede Handregion gewählt (Patterns). In den Fingerspitzen verlaufen die Rillen sehr enganliegend und fein. Diese Eigenschaft wurde auch auf die Patterns angewandt. Die Handballen wiederum nehmen sensorisch weniger Informationen auf als die Fingerkuppen, ihr Linienraster ist daher gröber.

Beispiel Haut
Beispiel Haut
Beispiel Haut

Auch wurde jedem definierten Handbereich eine bestimmte Farbe zugeordnet. Ähnliche Handbereiche wie beispielsweise Fingerkuppen oder Knöchel sind in demselben Farbton gehalten. Die Regionen der linken und rechten Hand wurden in derselben Farbpalette gestaltet. Zur Unterscheidung von links und rechts wurde eine unterschiedliche Ausrichtung des Linienrasters gewählt. Die Diagonale der linken Hand verläuft von links oben nach rechts unten, die Darstellung der rechten Hand verläuft von links unten nach rechts oben. Im Zusammenspiel ergeben die Patterns ein feingliedriges Raster aus sich überlagernden Konturen und Farben, die ein individuelles Berührungs-Profil entstehen lassen und an die feinporige Oberflächenstruktur der Haut erinnern.

Beispiel Pattern Beispiel Pattern Beispiel Pattern Beispiel Pattern Beispiel Pattern Beispiel Pattern Beispiel Pattern Beispiel Pattern Beispiel Pattern

Vergleich

Die Gegenüberstellung unserer Berührungsprofile zeigt, wie individuell und einzigartig unsere Gesichtsberührungen sind. Auch der direkte Vergleich mit unseren Messinstrumenten (Gesichtskoordinatensystem und die definierten Bereiche der Hand) geben Aufschluss über Gründe und Ursachen der Gesichtsberührungen sowie individuelle Gewohnheiten.


© Céline Schmid & Anna Kleger